Fotos von links:
Die katholische Kirche St. Bernhard in der Brendstraße präsentiert sich ihren Besuchern nicht auf den ersten Blick als Gotteshaus – die traditionelle Zweiteilung des Baukörpers in Turm und Kirchenschiff wurde durch den Architekten ignoriert. Der Pforzheimer Künstler Reinhold Krause, selbst Gemeindemitglied von St. Bernhard, erklärte Bauwerk und Baugeschichte den Löblichen Singern und ihren Gästen. Durch ihn erhielten die Teilnehmer am Stadtteilrundgang Arlinger einen Einblick in die Sakral-Gestaltung des Künstlers Jürgen Goertz, der Kreuz (2. Foto v.l.), Tabernakel, Ewig-Licht-Pfeil (Foto rechts) Ambo und das Taufbecken gestaltet hat.

3. Matinee zur Stadtgeschichte
Stadtteilrundgang im Arlinger
Reportage mit Hintergründen zu Kultur und Geschichte des Pforzheimer Stadtteils

Sonntag, 2. Mai 2004
mit
Claudia Baumbusch, Kunsthistorikerin
Reinhold Krause, freiberuflicher Künstler und Designer in Pforzheim
Wolfgang AlbertHelmut Albert, Steinmetz in Pforzheim
Carsten von Zepelin, Vorsitzender des Vorstandes der Baugenossenschaft Arlinger e.G.

Die Kirche St. Bernhard in Pforzheims Stadtteil Arlinger

Vorgeschichte und Werdegang

Die Pfarrgemeinde St. Bernhard in Pforzheim wurde am 1. Januar 1961 als Kuratie gegründet
und umfaßte damals den Stadtteil ARLINGER, das Industriegebiet BRÖTZINGER TAL und
die Siedlung HERRENSTRIET im oberen Enztal. Der erste Kurat war Josef Fischer (1961-1967).
Im Jahre 1973 kamen die Ortsteile DIETLINGEN, ELLMENDINGEN, WEILER und DIETENHAUSEN der Großgemeinde KELTERN hinzu. Am 1. Dezember 1974 wurde die
Kuratie in eine Pfarrei umgewandelt.

Als Gottesdienstraum diente die 1931 erbaute THERESIENKAPELLE Ecke Merkur- und
Brendstraße. Sie ist verbunden mit einer Schwesternstation der Dominikanerinnen von Neusatzeck. Schwesternhaus und Kindergarten sind unmittelbar an die Kapelle angebaut.

Die Theresienkapelle war jedoch als Gottesdienstraum bald zu klein geworden, so dass schon
in frühester Zeit an einen Neubau gedacht wurde. Außerdem stand für nichtgottesdienstliche Veranstaltungen lediglich ein einziger Raum im Untergeschoß des Schwesternhauses zur Verfügung,
ein Zustand, der auf lange Sicht unbefriedigend war.

So erwarb Herr Kurat Fischer mit seinen Mitarbeitern einige Grundstücke in der Nähe der
Kapelle für einen Kirchenneubau. Es gab schwierige Verhandlungen mit verschiedenen Institutionen,
die viel Ausdauer, Zähigkeit und Geduld erforderten. Durch eine freiwillige Baulandumlegung im
August 1968 entstand dann Ecke Oos- und Brendstraße ein kleiner, aber hinreichender Platz für
ein neues Gemeindezentrum mit Kirche.

Eine längere Vorbereitungsphase folgte unter dem Nachfolger Kurat Fischers, Karl-Heinz Würz.
Die Gemeinde wurde daran bewußt in großem Maß mitbeteiligt. In mehreren offenen Pfarrver-
sammlungen sprachen verschiedene Architekten mit den Gemeindemitgliedern über Fragen
des modernen Kirchbaus. Die Mitglieder des Pfarrgemeinderates und des Stiftungsrates unternahmen einige Besichtigungsfahrten, um neuere Kirchen an Ort und Stelle zu studieren.
Am 18. November 1971 genehmigte schließlich das Erzbischöfliche Ordinariat in Freiburg den
Entwurf des Karlsruher Architekten, Dipl.-Ing. Otfried Weis. Der erste Bauabschnitt umfaßte
die Kirche mit allen Nebenräumen. Der zweite Bauabschnitt, der 1973 genehmigt wurde, bestand
aus Pfarrhaus, Pfarrgarten und Garage.

Ende 1972 konnte mit dem ersten Bauabschnitt begonnen werden. Richtfest war am
9. November 1973. Kurz danach wurde auch mit dem Pfarrhausbau angefangen, so dass die
gesamte Anlage (Kirche, Nebenräume, Pfarrhaus, Außenanlagen, Garage) mit der feierlichen Kirchenkonsekration durch den damaligen H. H. Weihbischof Oskar Saier am 1. Dezember 1974
ihrer Bestimmung übergeben werden konnte.

Die Inneneinrichtung wurde ausschließlich durch Spenden aus der Gemeinde finanziert
(300.000.-DM). Ein Bazar kurz vor der Kirchweihe erbrachte einen Reingewinn von etwa
30.000.- DM, mit dem eine 40 Register zählende Elektronenorgel angeschafft werden konnte. Die Gesamtkosten (Grundstück, Gebäude, Einrichtung, Außenanlagen, Parkplätze, Nebenkosten)
beliefen sich auf etwa 2.500.000.- DM.

Der zur Verfügung stehende Platz war nicht sehr groß. Dennoch sollten in dem Gemeindezentrum
möglichst viele verschiedene Aktivitäten entfaltet werden können, von Gottesdiensten über
Großveranstaltungen bis hin zur Gruppenarbeit mit geringer Teilnehmerzahl. So war die grundsätzliche Variabilität der Räume von vorn herein vorgesehen. In möglichst wenigen Räumen sollten möglichst
viele Veranstaltungen untergebracht werden können. Das Raumprogramm, das der Pfarrgemeinderat
im April 1969 ausgearbeitet hatte, wird vom Architekten beschrieben. Es muß als sehr gut gelungen bezeichnet werden.

Die Gemeinde St. Bernhard hatte also im Dezember 1974 ihr neues Zentrum in Besitz genommen.
Schnell wurde dieses HEIM zu einer neuen HEIMAT vieler aus nah und fern. Der Gottesdienstraum erwies sich als kontakt- und gemeinschaftsbildend. Die lockere Anordnung der liturgischen Geräte
und des Gestühls ermöglicht vielerlei Formen (auch Experimente) von Gottesdienstgestaltung.
Im rückwärtigen Teil des Kirchenraumes, der abgetrennt werden kann, finden gesellige Veranstaltungen heiterer und ernster Art statt (Bazar, Fasching, Pfarrfeste, Pfarrversammlung usw.). In den Neben-
räumen entfaltete sich Gruppenleben. Der Kirchplatz wurde zu einem beliebten Kinderspielplatz
und zu einem Ort freundlicher Freiluft-Feste („Hocketse“). Die Kegelbahn führt viele Freundeskreise
und Vereine zu Sport und Geselligkeit zusammen. Der Bewuchs der Außenflächen hat inzwischen
den zuerst herben Anblick von Beton und Glas gemildert und den Gesamteindruck noch verschönt.
Alles in allem: ein gelungenes Werk, das seinen Sinn und Zweck sehr gut erfüllt.

Der Dank gilt allen, die an diesem Bauwerk in irgendeiner Weise mitgewirkt haben, sei es bei der
Planung, sei es bei der Ausführung und auch bei der Finanzierung. Besonders die damaligen
Mitglieder des Stiftungsrates, des Pfarrgemeinderates und des Bauausschusses haben unzählige
Stunden Zeit für dieses Werk eingesetzt. Allen sei von Herzen dafür gedankt!

Erläuterungen des Architekten

Das Raumprogramm sah einen Gottesdienstraum für etwa 300 Personen vor, ein kleines Foyer,
eine Sakristei, ein Clubzimmer, eine Teeküche, drei Jugendräume, eine Kegelbahn, sowie die erforderlichen Sanitärräume. In einem zweiten Bauabschnitt sollte das Pfarrhaus folgen.

Die städtebauliche Situation – eine umgebende Bebauung aus vorwiegend zweigeschossigen
freistehenden Wohnhäusern – hat uns in der Absicht bestärkt, dem Gemeindezentrum eine
bescheidene Gestalt zu geben und den vorgefundenen Maßstab aufzunehmen.

Eine in den Hang geschnittene steinerne Plattform und eine Stützwand definieren einen klaren Raum
für die Gebäude. Auf dieser künstlichen Ebene entwickelte sich, etwa 1,50 m über dem Niveau der Brendstraße mit den Parkplätzen, das Gemeindezentrum als eine Folge von Innenräumen und
zugeordneten Außenräumen:

Gemeinderäume – Eingangshof,
Jugendräume – Spielhof,
Pfarrhaus – Wohngarten.

In dieser Raumfolge ist der Kirchenraum durch sein größeres Volumen betont; Kegelraum und
Heizraum sind, durch eine Passage zwischen Eingangshof und Spielhof getrennt von den übrigen Gebäuden, als Teil der Stützwand in den Hang gebaut. Dieses Gesamtkonzept, bei dem der Zusammenhang von Innenraum und entsprechendem Außenraum sehr wichtig ist, wurde von
Anfang an von Architekt und Gartenarchitekt gemeinsam erarbeitet.

Bei der Gemeinde war die Vorstellung von einem auch für andere Veranstaltungen benutzbaren
Kirchenraum vorhanden, der aber als Kirche erkennbar sein sollte. Aus diesem Ansatz entwickelten
wir als besondere Eigenart dieses kleinen Gemeindezentrums die Möglichkeit der variablen Nutzung
sämtlicher wichtiger Räume, sowie deren zusammenhängende Benutzbarkeit. Mit Hilfe einer
Faltwand kann der Kirchenraum, im Prinzip eine große Halle, in zwei völlig unterschiedliche Räume getrennt werden, unterschiedlich in Charakter, Dimension und Lichtverhältnissen. Damit kein in
seinem Ausdruck „nutzungsneutraler“, gleichgültiger oder rundum gleichwertiger Raum entsteht,
wurden zwei unterschiedlich große, massive Apsidenwände, gewissermaßen halbkreisförmige Ausstülpungen des Raumes, angefügt, die die liturgische Zone bestimmen und als unveränderliche Standorte für den Altarbereich, die Taufe und – als „Raum im Raum“ – auch für den Beichtraum
festgelegt sind. Im Gegensatz zu dem abtrennbaren Profanraum mit der großen durchscheinend
verglasten Wand an der Straße, herrscht hier Geschlossenheit, unterstrichen durch geringere
Helligkeit und indirekte Lichtführung. Vorwiegend diese Zone bildet den Hintergrund für die Arbeiten
des Karlsruher Bildhauers JÜRGEN GOERTZ, der auch sämtliche liturgischen Geräte entworfen hat.
Als Konsequenz der variablen Benutzung erhielt der Raum eine bewegliche Bestuhlung, die zum Teil mit einhängbaren Kniebänken ausgestattet ist.

Das Prinzip der räumlichen Veränderbarkeit mit Hilfe von Faltwänden und entsprechender
Möblierung gilt auch für die Zone der Jugendräume, die sowohl als Einzelräume benutzbar sind
als auch zu einem einzigen Raum zusammengefaßt werden können.

Die Gemeinde hat sich mit diesem räumlichen und nutzerischen Konzept identifiziert und macht
von der unterschiedlichen Benutzungsmöglichkeit dieser Raumzusammenhänge regen Gebrauch.

Das Eingangsfoyer ist räumlich verbunden mit einem Clubzimmer. Zugeordnet gibt es eine Teeküche,
die zugleich auch den großen Versammlungsraum versorgt. Für das Clubzimmer schien uns die
Ecklage mit der Orientierung zu Eingangshof und Straße wichtig.

Dem Gedanken der zusammenhängenden Benutzbarkeit sämtlicher Räume folgend, ist die
Offenheit im Innern und nach draußen zum Prinzip gemacht, ermöglicht durch Ausblicke,
Einblicke und Durchblicke – die Innen- und Außentüren erhielten Fenster, ebenso die große
Faltwand; schmale Sichtöffnungen geben dem Kirchenraum Kontakt zur Straße.

Beim Pfarrhaus sind alle Wohn- und Schlafräume auf einen Gartenhof orientiert. Küche,
Pfarrbüro und Nebenräume bilden eine Platzwand des Eingangshofes.

Der Eingangshof, mit Ahornen bestanden, bildet die Vorzone für die Gemeinderäume und das
Pfarrhaus. Eine Verbindungstreppe zu einer hangseitig vorhandenen Treppenanlage sorgt für Durchlässigkeit und selbstverständliche Benutzung des Platzes. Eine mit Glyzinien berankte Pergola überdeckt den Jugendhof. Unter diesem grünen Dach gibt es zusätzlichen Bewegungsraum für Gruppenarbeit, Spiele, Feste.

Die Plattform ist über Treppen am Eingangshof und über eine bequeme Rampenanlage am Jugendhof (Gehbehinderte, Kinderwagen, Fahrräder) zugänglich. Eine offene „Passage“ verbindet die beiden
Höfe miteinander. Sie ermöglicht ein Zirkulieren in den Außenräumen und erhöht zusammen mit
der vielfältig benutzten gepflasterten Böschung den Spielwert der Anlage.

Die große Glaswand des Kirchenraumes erhielt ein frei vorgehängtes Rankgerüst aus Stahl, das
– ebenfalls mit Glyzinien bewachsen – eine Art „zweite Haut“ für die Fassade darstellt. Die
Berankung erzeugt im Innenraum je nach Sonnenstand ein bewegtes Schattenspiel auf der
Thermoluxwand. Die hangseitige Stützwand erscheint als immergrüne Efeuwand. Bergseitig wird
das gesamte Grundstück mit einer Bepflanzung von Wildrosen abgeschlossen.

Der Pfarrgarten, ein von Mauern umschlossener Gartenhof, ist ein geschlossener Bereich.
Alle Räume haben einen Zugang zum Garten. Der Garten ist seinerseits in verschiedene Räume
aufgeteilt.

Für die verschiedenen Gebäudeteile der Anlage wurde in der Wahl der Baustoffe, in der Ausbildung
der Details und in der Farbgebung eine gemeinsame architektonische Sprache gesucht.

Materialien: Plattform und Böschung mit dunklem Betonpflaster belegt. Das Tragwerk in der
Hauptsache ein mit Mauerwerk ausgefachtes Stahlbetonskelett aus Leichtbeton. Stützen,
Unterzüge, Decken, Betonwände als Sichtbetonflächen. Die verputzten Mauerwerkswände innen
weiß gestrichen. Holzfensterrahmen, Lüftungsklappen, Außen- und Innentüren, sonstiges Holzwerk in abgestuften Blautönen lackiert bzw. gebeizt. Das gilt auch für die in Holz gebauten liturgischen
Objekte des Künstlers, bei denen diese Farbgebung neben anderen Materialien und Farbigkeiten
den Grundtenor angibt. Das zusammen mit dem Künstler entwickelte Farbkonzept sah ein
Durchbrechen der zurückhaltenden Farbgebung in den starkfarbigen Kunststoffplastiken der liturgischen Zone und in einige vergoldeten Deckenteilen vor.

Mit Ausnahme der weißgefliesten Naßräume sind die Bodenflächen einheitlich mit blaugrauen
Tonplatten ausgelegt. Beleuchtung vorwiegend durch festmontierte Strahler, im Kirchenraum
veränderbar an Stromschienen, bei ausschließlicher Verwendung von Glühlampen auch im
Außenraum.

Beheizung vorwiegend mit Warmwasserradiatoren, im Kirchenraum mit einer Fußbodenheizung
und einer zusätzlichen Be- und Entlüftungsanlage für die beiden durch Faltwand abtrennbaren
Raumteile.

Die Kunstwerke in der Kirche

KUNST kann nicht erklärt werden. Ein Kunstwerk ist als inneres Bild im Künstler vorhanden,
nimmt dann unter seinen formenden Händen sichtbare Gestalt an und wird so geboren.
Ist das Werk gelungen, dann spricht es aus sich selbst sein ihm eigenes WORT und fordert den
Betrachter zur ANTWORT heraus. Erklärungen vor einem Kunstwerk engen ein und schaffen Mißverständnisse. Kunst „erfährt“ man gesamtmenschlich-intuitiv, indem man sich mit ihr
auseinandersetzt: mit Auge und Herz und Verstand.

Dies gilt auch für die Kunstwerke, mit denen der Karlsruher Bildhauer JÜRGEN GOERTZ die
Kirche St. Bernhard ausgestaltet hat. Wenn nun doch der Versuch gemacht wird, „Erklärendes“
zu diesem Werk zu sagen, dann kann keine erschöpfende Deutung erwartet werden. Es handelt
sich lediglich um ein paar Hinweise zum Verständnis der Kunstwerke. Um sie wirklich zu verstehen,
muß man sich ihnen immer wieder stellen, in sie hineinhören und dann Antwort darauf geben
– wie auch immer.

GOERTZ arbeitet mit Kunststoff, Holz, Kupfer und – vor allem – mit Gegenständen aus unserer
Alltagswelt. Realismus und Symbolismus sind eng miteinander verzahnt. Realismus: Hammer, Nägel,
eine Jacke am Kreuz, ein schwerer Naturstein am Ewiglichtpfeil, Blut- und Dreckspuren am Kreuzessockel – das alles ist nackte Wirklichkeit. Dann aber auch Symbole und Bilder: das Auge
in der Hand des Gekreuzigten, Bocciakugel und Knobelbecher am Fuß des Kreuzes, eine
durchbohrte Hand über dem Fuß des Lammes am Tabernakel und anderes mehr.

Diese Kunst ist nicht einfach zum Betrachten, zum Konsum bestimmt. Man muß durch sie hindurch
auf allgemein gültige menschliche Vorgänge, Beziehungen und Erfahrungen blicken. Man muß zu
sich kommen und zum Handeln aufgefordert werden angesichts dieser Darstellungen. Sie sollen
verstehend, befreiend, lösend und dann wieder Widerspruch auslösend wirken. So weisen sie über
sich selbst hinaus, werden transparent und deuten Antworten an auf die Grundfragen menschlichen
Daseins in der Welt. Dabei sind es durchweg biblische Motive, die in den einzelnen Werken zur Darstellung kommen.

Das KREUZ stellt Abendmahl und Tod Jesu in einem dar. “ Das ist mein Leib, der für euch
hingegeben wird – das ist mein Blut, das für euch vergossen wird! “ So sagt Jesus beim letzten
Abendmahl, so tut Jesus am Karfreitag am Kreuz. Beides, Mahl und Tod, sind die zwei Seiten
eines und desselben Vorgangs: der Hingabe Jesu für das Heil der Welt.

Der senkrechte und der waagerechte Kreuzesbalken, Symbol für die Begegnung von Himmel
und Erde in Jesus Christus, treffen sich hier nicht erwartungsgemäß im mittleren Kreuzesschnittpunkt,
sondern eröffnen einen dreieckigen Durchblick: die Möglichkeit, durch die Kreuzigung hindurch
zu blicken ins Unendliche, Jenseitige, Unfaßbare, nur noch zu Glaubende. Die nicht angenagelten,
Brot und Kelch umklammernden Christushände könnten im Betrachter den Wunsch wecken,
das Kreuz „in Ordnung zu bringen“ und die Hände, wie es sich gehört, anzunageln:
Bitte! Hammer und Nägel liegen bereit! Bring das Kreuz in Ordnung … und erfahre dabei,
daß auch Du dabei warst, ja täglich dabei bist, die Menschen in Jesus und Jesus in den Menschen
zu kreuzigen!

Der blutbefleckte Soldatenstiefel mit einer „Weltkugel“ am Fuß des Kreuzes deutet eine Antwort
an auf die Frage nach dem „Warum“ des Kreuzestodes Jesu. Er starb, um Schuld zu sühnen, um
Gott und Menschen zu versöhnen und Frieden zu stiften. Beim Propheten Jesaja (9,4) lesen wir:
„Jeder dröhnend auftretende Stiefel, jeder blutbefleckte Soldatenmantel wird verbrannt und zu
einer Beute des Feuers: denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt; sein ist die
Fülle der Herrschaft… der Friede nimmt kein Ende mehr.“ Der hier am Kreuz leidende und
sterbende Gottesknecht ist der messianische Friedenskönig aller Menschen.

Das Auge in der Hand Jesu kann als Auge Gottes, als Auge der Gerechtigkeit, das mich anschaut
und zur Antwort herausfordert, verstanden werden: Zeichen göttlicher Gegenwart, göttlicher
Gerechtigkeit und Liebe, die die Schuld der Welt hinwegnimmt.

Der TABERNAKEL, wie alle liturgischen Geräte des Chorraumes nicht fest verankert, sondern beweglich (Tabernakel heißt ja „Zelt“ und nicht “ Burg „), zeigt in einem Relief an der Oberseite das geopferte Lamm Gottes, das erdrückt wird von der Schuld der Welt. Die über den Fuß des
Lammes gezogene, von einem Nagel durchbohrte Hand weist das Lamm als den gekreuzigten
Jesus aus und schafft damit die innere Verbindung zwischen Kreuz und Tabernakel.

Das Lamm liegt auf dem „Buch mit den sieben Siegeln“ :ein Motiv aus der Apokalypse (5,9):
„Würdig bist du, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du bist geschlachtet worden
und hast mit deinem Blut jene für Gott erkauft, die da kommen aus allen Stämmen, Sprachen,
Völkern und Geschlechtern! “

Der Kunststoff bringt hier bei der Lamm-Gottes-Darstellung sehr gut das Gehäutete, Gequälte, das Geopfert-Werden zum Ausdruck. Das Lamm ist ganz Leiden und Qual, ganz Hingabe für die Welt,
für die Menschen.

Der EWIG-LICHT-PFEIL weist unsere Gedanken „nach oben“, doch der schwere Naturstein
an der Kette holt sie sogleich wieder „herunter“, ins Irdische, in die Endlichkeit und Begrenztheit
unserer Existenz, ins Schwerefeld der Erde, auf der wir leben und die unsere zeitliche Heimat ist.
Beide Bewegungen, die nach oben und die nach unten (optisch durch die Betonrille unterbrochen)
machen christliches Leben aus.

Man kann im EWIG-LICHT-PFEIL auch so etwas wie ein Pendel sehen, eine Uhr: eine Mahnung,
Zeit und Ewigkeit zu bedenken und inmitten des Irdischen das Jenseitige zu entdecken.

Das Medaillon an der KANZEL zeigt Fische und Hände, die ineinander verschlungen sind.

Der Fisch war in der Frühzeit des Christentums, vor allem in Zeiten der Verfolgung, das Symbol der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Glaubenden. Auch Hände bedeuten Zugehörigkeit, Beziehung, Freundschaft.

Die Kanzel ist der Ort der Wortverkündigung. Die Vielfalt des Wortes (angedeutet durch die Fische,
die in verschiedene Richtungen schwimmen) soll zusammengehalten und versöhnt werden durch den
einen Geist Jesu (die Hände der Freundschaft). Das Wort soll versöhnen, zusammenführen, einigen.

Der ALTAR ist ebenfalls beweglich. Trotzdem erscheint er als etwas Schweres, Ehrwürdiges, Schwerwiegendes. Dies wird nicht zuletzt durch die Metallkaschierung bewirkt. Außerdem hat
das Kupfer durch die Behandlung Tiefenwirkung bekommen. Der Tisch ist die Mitte der Eucharistie feiernden Gemeinde. Durch seine achteckige Form erscheint er fast rund und nimmt die Rundung
der Apsidenwand auf.

Die Darstellung MARIA MIT DEM KIND auf dem Taufbecken ist dem Verständnis des Betrachters am schwersten zugänglich.

Anders die „Fachleute“ in Sachen Kunst. Eine Kunstzeitschrift schreibt darüber: -..eine Madonna
von Jürgen Goertz, die im Jahre 1975 geschaffen worden ist. Ihre Materialien sind Kunstharz,
Metall, Holz, Zement, Glas und echtes Haar. Ihre Erscheinung ist die einer knieenden jungen Frau,
der ein Kind auf dem Nacken sitzt. Nicht nur ist die Frau von einer sinnenhaften, überaus lebendigen Schönheit – Kleidung, Schmuck und Frisur verbinden sie mit den heutigen jungen Frauen.
Ihre Haltung ist von einer unerwarteten Unbefangenheit. Nichts von der überkommenen Feierlichkeit, andererseits auch nichts von Frivolität. Nicht gemessen und erhaben, sondern von Gefühlen erfüllt,
wie sie sich in vielen von uns regen…“

In dieser Darstellung soll nicht nur das „Marianische“, sondern auch das „Allgemein-Mütterliche“ ausgedrückt werden, das in der Kirche – wie in fast allen Religionen – eine große Rolle spielt.
Auch dieses Kunstwerk kann transparent werden für allgemein-menschliche Erfahrungen und Werte,
soll das Behütende und Bewahrende und Nährende und Bergende des Glaubens und des Lebens überhaupt zum Leuchten bringen.

Insgesamt stellt das Werk des Künstlers in seiner Farbigkeit und in der Formung der Reliefs einen
Kontrast dar zu der nüchternen Sachlichkeit der beiden Beton-Apsiden und bringt diese zum Leben.

Die Bronce-Plastik MARIA MIT KIND wurde unserer Kirche als Stiftung übereignet.

Sie ist ein Werk der Pforzheimer Bi!dhauerin Gisela Bär. Die Darstellung strahlt Ruhe, Andacht, Frömmigkeit aus. Sie lädt zur Besinnung ein, zum Nachdenken, zum Beten. Mutter und Kind
scheinen uns einzuladen: „Kommt alle zu mir! “ Die offenen Arme sind Zeichen der Erwartung, der Einladung, der Geborgenheit.

Auch an diesem Werk gilt, was von der Goertz’schen Mutter-Kind-Darstellung gesagt wurde:
es kann und soll transparent werden, durchlässig werden für allgemein-menschliche Werte und Erfahrungen: für das Bergende, Behütende, Bewahrende allen Lebens und Glaubens.
Für die Liebe, die das Herz aller Dinge ist, die Zusammenfassung und Erfüllung allen Seins
(Röm. 13, 8-10).

Neue Kunstwerke nach der Einweihung 1974

Fenster von Anina Gröger, Pforzheim

Lesepult aus Acrylglas und Edelstahl von Reinhold Krause, Pforzheim

Text: Abdruck aus der Broschüre zur Einweihung.
Mit freundlicher Genehmigung der Kirchengemeinde St. Bernhard.
Die Texte verfaßten damals Pfarrer Karl-Heinz Würz und Architekt Otfried Weis

Fotos: Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Kirchengemeinde St. Bernhard
aus der Broschüre zur Einweihung. Für die Broschüre fotografierte Günter Meyer, Pforzheim
im Auftrag der Kirchengemeinde. Weitere Fotos: Claus Kuge,

Dank sagt die Redaktion hiermit den Kommunen Ansbach, Bietigheim-Bissingen,
Coesfeld und Schorndorf, aus deren Internetpräsentationen wir die rechts stehenden
Abbildungen der Werke von Jürgen Goertz heruntergeladen haben.
Unser Dank gilt in diesem Zusammenhang auch der Heidelberger Druckmaschinen AG.

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